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Vor 60 Jahren sank das Seebäderschiff „Bremerhaven“

  • Autorenbild: Christian Eckardt
    Christian Eckardt
  • vor 1 Tag
  • 5 Min. Lesezeit



Nach der Bergung war das Schiff noch 40 Jahre als Kreuzfahrtschiff aktiv


Vor nunmehr 60 Jahren ereignete sich in Bremerhaven der Untergang des 88 Meter langen Seebäderschiffes „Bremerhaven“, das danach zwar wieder geborgen werden konnte und anschließend noch fast 40 Jahre als Minikreuzfahrtschiff aktiv war. Der Untergang war der Abschluss der eigenen bremischen Aktivitäten im Helgolandverkehr, die dem Steuerzahler seinerzeit viel Geld gekostet haben.


Im Bremer Senat gab es ab Mitte der 50er Jahre Ambitionen für ein neues Seebäderschiff nach Helgoland. Zwar war seit 1954 vom Norddeutschen Lloyd verfügende „Glückauf“ erfolgreich im Einsatz, Doch verglichen mit der modernen Tonnage, die von der Hadag auf der Elbe zum Einsatz kam, wie der neuen „Wappen von Hamburg“, wirkte die schon 1913 erbaute „Glückauf“ nicht mehr attraktiv genug.


In einem vom Bremer Senat in Auftrag gegebenen Gutachten wurde die „Glückauf“ als zu klein und zu langsam bewertet, wobei die Gäste von der Weser fast doppelt so lange auf Helgoland bleiben konnten wie die Hamburger. Doch der Norddeutsche Lloyd hatte kein Interesse an Investitionen für einen Neubau, da man keine sichere Rentabilität erwartete. Der Bremer Senat sah das anders und ließ großzügig planen und wollte mit der Stadt Bremerhaven im Helgolanddienst selbst zum Reeder werden. Hierzu wurde die Bremer Helgolanddienst GmbH gegründet, die zu über 50 Prozent dem Bremer Senat gehörte. Zudem waren die Stadt Bremerhaven und mehr als 40 private Investoren aus der Wirtschaft involviert. Kritische Stimmen, dass sich der Betrieb nicht rechnen würde, wurden schnell zerschlagen. „Es entspricht bremischer Auffassung, eine so im allgemeinen Interesse liegende Aufgabe gemeinsam durch private und staatliche Initiative durchzuführen“ warb seinerzeit Heinrich Maas, designierter Verwaltungsratsvorsitzender.


Der Bauauftrag wurde schon im Oktober 1959 ohne Ausschreibung freihändig an die Adler-Werft in Bremen vergeben, ein Tochterunternehmen der Argo Reederei, die nicht einmal einen Festpreis genannt hatte, sondern auf eine Preisgleitklausel bestand. Der Werft wurde später eine eklatante Fehlkalkulation oder auch Schönrechnerei vorgeworfen, die schon zu diesem Zeitpunkt finanzielle Probleme hatte. Im Rahmen der nur sieben Monate dauernden Bauzeit gab es unzählige Änderungswünsche, so dass der Baupreis von ursprünglich sechs auf 7,5 Millionen Mark kletterte. Dafür wurde Ende Mai 1960 den Bremern mit der 88 Meter langen „Bremerhaven“ mit der Baunummer 019 ein Seebäderschiff für 1.400 Tagesgäste abgeliefert, dass die Hamburger Mitbewerber in der Größe und Geschwindigkeit knapp übertraf. Um eine Rentabilität für den Neubau zu erwirtschaften, sollte die „Bremerhaven“ für einen geplanten Wintereinsatz als Kreuzfahrtschiff umgebaut werden. Dabei sollte das Schiff in sechs Stunden von 12 Mitarbeitern mit so genannten Wechselkabinen für 200 Passagiere ausgestattet werden. Auch diese Idee erwies sich als finanzielles Desaster. Denn für den Umbau waren spezielle flexible Kabinen nötig. Dies trieb die Kosten kräftig in die Höhe, so dass die Finanzdeputation mit 4,5 Millionen Mark bürgen musste.



Im Mai 1969 wurde die „Bremerhaven“ abgeliefert und am 4. Juni 1960 ging das Schiff auf Jungfernfahrt. Im September ging es dann auf eine erste Ostseekreuzfahrt von Travemünde nach Leningrad und Helsinki, später dann noch eine Reise nach London. Im März 1961 ging es erstmals ins westliche Mittelmeer. Schon gleich nach der ersten Saison musste das Land Bremen ein zins- und tilgungsfreies 1,5-Millionen-Darlehen nachschießen. Denn für den Betrieb eines Kreuzfahrtschiffes wurde, das wurde nicht einkalkuliert, eine wesentlich höhere Besatzungsstärke notwendig als ein Seebäderschiff. Zum Ende des Jahres 1962 betrug der Verlust mehr als 1,3 Millionen Mark und die Betriebskosten lagen um eine Million Mark höher als zunächst kalkuliert. Somit griff der Rechnungshof ein und die Kreuzfahrten wurden ersatzlos gestrichen. In dieser Zeit hatten die Bremer schon einen Verlust von 3 Millionen Mark eingefahren- Im Jahr 1963 entschied der Bremer Senat, sich von der „Bremerhaven“ wieder zu trennen. Es lagen mehrere Angebote vor, so eines auf Bulgarien für sechs Millionen Euro, die schwedische Stena Line wollte 4,8 Millionen Euro ausgeben. Zwischenzeitlich übernahm die Reederei D. Oltmann aus Bremen den Betrieb des Schiffes.



Doch am 13. April 1965 kam dann das schnelle Ende des Bremer Seebäderdienstes. Denn in der Nacht sank die „Bremerhaven“ am Liegeplatz im Kaiserhafen, direkt hinter der Kaiserschleuse. Die „Bremerhaven“ wurde für den anstehenden Helgolanddienst zuvor bei der Seebeckwerft überholt. Da unter Deck noch Malerarbeiten durchgeführt wurden, waren zur besseren Durchlüftung einige Bullaugen geöffnet. Über den geöffneten Bullaugen im Zwischendeck drang später viel Wasser in das Schiff, und nach kurzer Zeit legte sich die „Bremerhaven“ auf der Steuerbordseite auf den Hafengrund. Einige Aufbauten, wie der Mast und der schmale Schornstein wurden dabei zerstört und blieben an der Kajenkante hängen. Die an Bord in ihren Kojen liegenden Besatzungsmitglieder konnten sich, wenn auch nur leicht bekleidet, im letzten Moment retten. Der Zugang zur Kaiserschleuse war durch den Unfall blockiert. Über die genauen Ursachen des Untergangs wurde viel spekuliert, es wurde sogar von Sabotage oder Versicherungsbetrug geredet. Von der Polizei wurde extra zur Ermittlung eine Sonderkommission eingerichtet. Im Abschlussbericht der Sonderkommission und bei der späteren Seeamtsverhandlung wurde dann ein blockiertes Ventil durch einen abgebrochenen Flaschenhals als Ursache bestimmt. Nach den Ermittlungen konnte somit Wasser von außen in die Austrittsrohrleitung in den Fäkalientank und weiter in die Pantry gelangen. Wären die Bullaugen geschlossen gewesen, dann wäre nur eine Abteilung des Schiffes vollgelaufen und das Schiff nicht gesunken.



Für die Bergung kamen die beiden Hamburger Hebeschiffe „Ausdauer“ und „Energie“ der Bugsier-Reederei nach Bremerhaven, Man plante den Havaristen aufzurichten, in flacheres Gewässer zu ziehen und dann mit Hilfe von Trossen anzuheben. Doch die Vorbereitungsarbeiten gestalteten sich als schwierig und langwierig. Erst am Sonntag, den 2. Mai 1965 gelang es dann endlich, das Schiff zumindest halb aufzurichten, nach 19 Tagen und ernster Überlegung die Bergung abzubrechen. Zum letzten Maiwochenende 1965 konnte man zum ersten Mal wieder das Schiffsinnere trockenen Fußes betreten. Später wurde das Schiff dann zur Schichau Werft geschleppt, wo es vom Schlamm befreit wurde. Die Reparaturkosten wurden auf rund 4 Millionen Mark geschätzt.



Zum Beginn der Helgolandsaison 1965 gab es nun aber kein Seebäderschiff mehr von der Weser. Somit gründete Wolfgang Blaum, Mitinhaber der Reederei Oltmann, kurzerhand das Unternehmen Bremer Seebäderdienst D. Oltmann & Co. und charterte für die anstehende Saison u.a. die „Wilhelmshaven“ und später die „Seute Deern“ von der Reederei Cassen Eils.


Die ehemalige „Bremerhaven“ konnte dann schon im Juli 1965 an die griechische Reederei Sun Line für einen Preis zwischen 1 bis 2 Millionen Mark verkauft werden. Die Reaktion der Bremer Finanzdeputation nach dem verlustbringenden Geschäft war dann „lieber ein Ende mit Schrecken“.


Der neue Eigner ließ das Schiff in Griechenland zum Kreuzfahrtschiff umbauen und setzte es als „Stella Maris II“ für Kreuzfahrten im Mittelmeer, der Karibik und auf dem Amazonas ein. Von 1995 bis 1998 fuhr das Schiff für Royal Olympic Cruises. 1998 wurde es erneut verkauft und im Winter 1998/1999 von Viking River Cruises als „Viking Bordeaux“ von Banjul aus auf dem Gambia eingesetzt, ab dem Frühjahr 1999 dann vom Basishafen Nantes aus. Noch einmal, im August 2000, kehrte es an den Bauort an die Weser zurück und besuchte im Rahmen einer Leserkreuzfahrt von Radio Bremen die Hansestadt Bremen.


Im August 2000 auf der Weser vor Bremerhaven
Im August 2000 auf der Weser vor Bremerhaven

Später wurde das kleine Kreuzfahrtschiff im 2003 unter dem Namen „Bordeaux“ im niederländischen Eemshaven aufgelegt und konnte erst zwei Jahre später in die Ukraine verkauft werden. Umbenannt in „Madagascar“ verkehrte es unter der Flagge von St. Vincent und den Grenadinen für das Unternehmen Indian Ocean Cruises für Kreuzfahrten im Indischen Ozean bevor es kurze Zeit später in Durban aufgelegt wurde. Am 15. April 2008 wurde es in einer Versteigerung von einer indischen Abwrackwerft erworben und anschließend in Alang verschrottet.



BORDEAUX im Januar 2005 in Eemshaven
BORDEAUX im Januar 2005 in Eemshaven

Alle Fotos: Sammlung C. Eckardt

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