Eigner-Ehepaar bietet das Schiff als schwimmendes Base-Camp für Forschungseinrichtung an
Am kommenden Sonntag (27.3.) wollen das Eigner-Ehepaar Mana und Jan-Friedrich Walter endlich, nach zwei Jahren Corona-Pause, wieder mit dem alten schwedischen Seenotrettungskreuzer „Ulla Rinman“ in See stechen. Nach den derzeitigen Plänen möchten die beiden mit Morgenhochwasser den Liegeplatz im Fischereihafen in Bremerhaven verlassen und Kurs auf den Heimathafen des Schiffes, Longyearbyen, auf Spitzbergen nehmen.
Rund drei Wochen, je nach Wetterlage, dauert die Transferreise für die 1.600 Seemeilen lange Strecke mit einer Handvoll freiwilliger Helfer, zwei Kapitänen und ein paar Familienmitgliedern. Zwischenstopps sind in Esbjerg, Bergen, Trondheim und Tromsö geplant. Ende April will man dann wieder auf Spitzbergen im Nordpolarmeer sein, denn da haben sich die ersten Gäste an Bord angemeldet. Das Ehepaar Walther bietet das Logistik- und Expeditionsschiff als schwimmendes „Base-Camp“ für Forschungsteams, Geologen, Archäologen aber auch Filmteams über deren Unternehmen Norlengs an. Denn dafür ist die nur 23 Meter lange eisbrechende „Ulla Rinman“ in der Region prädestiniert. Übernachtungsmöglichkeiten sind auf den felsigen und einsamen Inseln auf Spitzbergen nicht zu finden. Somit bliebt für die Forscher nur der Aufbau von Zelten, was aber aufgrund des Dauerfrostes und der Gefahr durch Eisbären, von denen sich rund 3.500 auf Spitzbergen befinden, fast unmöglich ist. Somit wird die „Ulla Rinman“ mit den Forschern ganz dicht an die Küste fahren und diese dann mit Zodiac-Booten an Land übersetzen. Nach Abschluss der Arbeiten an Land beziehen die Forscher dann Quartier an Bord. Bis zu 12 Gäste (+ 3 Stammbesatzungsmitglieder) sind an Bord zugelassen.
Noch ein paar Tage vor der Abfahrt sieht es an Bord des schneeweißen Schiffes noch nicht unbedingt danach aus, dass die „Ulla“ an diesem Sonntag den Hafen verlassen wird: Überall wird an Bord noch geschraubt und gestrichen, neben dem Geruch von Farbe und Diesel steigt aber auch ein Kaffeeduft um die Nase. Die Eigner nehmen sich noch Zeit für einen Plausch und schwärmen in der Frühlingssonne von dem Schiff, von Spitzbergen aber vor allem aber auch von dem herzlichen Empfang und der Hilfestellung hier in Bremerhaven in den letzten Jahren.
Jan-Friedrich Walther betreibt schon seit vielen Jahren eine Werkstatt für historische LKW, in Stapel im Landkreis Rotenburg, die deutschlandweit einen sehr guten Ruf hat. Vor vier Jahren wuchs die Idee, sich ein historisches Boot für Wochenendtouren zuzulegen. Dabei stießen die beiden in Dänemark auf das alte Lotsenversetzboot „Skawpilot 1“ aus dem Jahr 1967. Dies wurde zunächst in der Ostsee eingesetzt. Im weiteren Verlauf wurde den beiden dann die „Ulla Rinman“ angeboten, ein ehemaliger schwedischer Rettungskreuzer, der bis Mitte der 1990er Jahre in den Schären vor Göteborg im Einsatz war, der aber schon seit vielen Jahren auf Spitzbergen als Forschungsschiff eingesetzt wurde. Nachdem man die „Ulla“ Anfang 2019 erworben hatte und nach Deutschland überführte, war sich das Ehepaar nicht ganz so einig, was man mit dem „Schätzchen“ eigentlich machen möchte. Eine Idee war, das Schiff nach Bremen an die Schlachte zu legen und es dort als B&B-Boot anzubieten. Doch diese Idee wurde wieder schnell verworfen und nach der Ankunft in Bremerhaven und einer Überprüfung des Schiffes wuchs bei beiden die Idee, nach einer neuen Herausforderung. Man wollte selbst als Reeder das Schiff, das sich in einem guten Erhaltungszustand befindet, wieder auf Spitzbergen einsetzen und gründete hierzu das Unternehmen Norlengs. In Bremerhaven sollten dann bis zum Frühjahr 2020 alle notwendigen Überholungsarbeiten abgeschlossen werden, doch dann kam die Corona-Pandemie dazwischen.
In der Folge wurde dann die „Skawpilot 1“ wieder verkauft, um mit dem Verkaufserlös die anstehenden Umbauarbeiten auf der „Ulla“ mitzufinanzieren. Jan-Friedrich Walther hat in den vergangenen Jahren dann alle technischen Anlagen überholt und gewartet, einige Anlagen neu eingebaut und auch gedoppelt. Denn wenn das Schiff in Spitzbergen im Einsatz ist, kann man sich kein Ausfall des Schiffes erlauben, "Ersatzteile sind dort oben nicht so leicht zu bekommen", so Walther. Die Maschinen und Aggregate wurden von dem gelernten Automechaniker auf Herz und Nieren überprüft. Auch auf der Brücke wurden allerlei neue Navigations- und Radargeräte installiert, zudem wurde auf dem Peildeck eine Wettermessstation vom DWD installiert. Auch wurden alle Kabinen und Naßzellen modernisiert, wobei es hier im Schiffsbauch rustikal, eher wie auf einem Segelschiff als auf einem Kreuzfahrtschiff, aussieht. Die Eigner legten viel Wert darauf, dass das äußere Erscheinungsbild des Schiffes nicht verändert wird, mit einer kleinen Ausnahme: Auf dem Oberdeck wurde eine Plattform für ein zweites, großes und vor allem leistungsstarkes 50 PS-Schlauchboot angebaut, um die Forscher zukünftig sicher an Land überzusetzen. Bei den Arbeiten an der „Ulla“ halfen auch viele lokale Bremerhavener Unternehmen und das Eigner-Ehepaar, beide Jahrgang 1970, ist voll des Lobes über die Hilfe, die sie hier in der Seestadt in den letzten 2 ½ Jahren erhalten haben. „Wir haben uns hier in Bremerhaven sehr wohl gefühlt“ erzählt Mana Walther, die am Sonntag ihren Mann, der an Bord für die Maschinenanlage zuständig ist, auf der Überführungsreise mit begleiten wird.
Die „Ulla Rinman“ hat für die Zeit von Mai bis Ende Oktober eine Zulassung für den Einsatz in Spitzbergen. Was dann zum Winter passiert, da sind sich beide noch nicht ganz so einig. Möglicherweise wird das Schiff dann rund 600 Seemeilen zurück in die norwegische Hafenstadt Tromsö fahren und hier beispielsweise Waltouren für Touristen unternehmen. Auch ist es nicht absehbar, dass die "Ulla" sobald wieder hier in Bremerhaven zu sehen sein wird.
Die 1970 auf der Falkenberg Varv erbaute „Ulla Rinman“ ersetzte an der Rettungsstation Rörö im Göteborger Archipel den damaligen Rettungsschwimmerkreuzer „Wilhelm R. Lundgren III“. Finanziert wurde der Bau des 23,82 Meter langen und 6,9 Meter breiten Kreuzers größtenteils von Spenden der Society of Life Buoys in Göteborg. Daher erhielt das Schiff auch den Namen der Gründerin von Life Buoy, Ulla Rinman. Bei der Ablieferung war der eisverstärkte Rettungskreuzer, der auch in der Baltischen See zum Einsatz kam, mit einer Leistung von 720 PS der zweitstärkste Rettungskreuzer in Schweden. Für den Wintereinsatz war eine besondere Bugbewehrung von 24 Millimeter dicken Stahl notwendig, zudem verfügt das Schiff über Eispropeller aus Edelstahl mit drehbaren Flügeln. Das Deckshaus ist aus Aluminium gefertigt. Nach einem Einsatz von 33 Jahren wurde das ehemalige Flaggschiff der Naval Rescue Society im Jahr 2003 dann an einen Privatmann im schwedischen Halmstad verkauft. Nach dem Tod des Eigners wurde die „Ulla Rinman“ im Jahr 2010 nach Norwegen veräußert und verkehrte seitdem als Forschungs- und Expeditionsschiff auf Spitzbergen für bis zu 12 Passagiere in sechs Kabinen. Das Schiff kann theoretisch aufgrund seines 22 Tonnen fassenden Bunkertanks bis zu sieben Wochen auf See verbringen, einzig der Wasservorratstank fasst nur 3 Tonnen.
Spitzbergen ist eine zu Norwegen gehörende, aus über 400 Inseln und Schären zusammengesetzte Inselgruppe im Nordatlantik mit nur rund 2.500 Einwohnern. Ab etwa 1900 wurde Spitzbergen aufgrund seiner reichen Kohlevorkommen besiedelt, und gilt seit einigen Jahren als „größtes Arktisforschungslabor der Welt“
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