Britische „Ross Revenge“ lief vor 64 Jahren auf Bremerhavener Seebeckwerft als Seitentrawler vom Stapel
Radio Caroline war das erste und später auch beliebteste Privatradio in Großbritannien und war für die Entwicklung der Popmusik in den 1960er Jahren von zentraler Bedeutung. So war Radio Caroline bei britischen Hörern als Alternative zu BBC Radio sehr erfolgreich und spielte eine wichtige Rolle bei der Verbreitung neuer Pop- und Rockmusikstile. Bands wie The Who oder Status Quo wurden durch den Sender bekannt. Von 1964 bis 1990 sendete Radio Caroline des irischen Musikproduzenten Ronan O’Rahilly als Piratensender vom Meer, anfangs sogar von zwei Schiffen aus, eines in der Irischen See und eines 3 Meilen vor der Küste von Essex. Von 1983 bis 1990 kam dort die „Ross Revenge“ zum Einsatz, die über viele Jahre in der 3-Meilen-Zone vor der britischen Küste sendete. Die legendäre „Ross Revenge“ war seinerzeit mit einem 91 Meter hohen Sendemast ausgerüstet, der höchste Mast, der zu der Zeit jemals an einem Schiff angebracht wurde. Die letzte Sendung von Bord wurde im November 1990 ausgestrahlt. Ein Jahr später lief das Schiff auf Grund, damit war die Ära der Offshore-Piratensender in Europa vorbei. Die „Ross Revenge“, mittlerweile in einem sehr schlechten Zustand, konnte geborgen werden und wird immer noch von einer Gruppe von Unterstützern und Enthusiasten, gewartet. Noch liegt das Schiff im Fluss Blackwater in Essex und wartet dort auf eine dringende Werftüberholung.
Obwohl die „Ross Revenge“ von einem Team engagierter Freiwilliger gewartet wird, ist ein starker Verschleiß aufgrund der Nutzung in den vergangenen Jahren auf See erkennbar und strukturelle Reparaturen sind dringlich erforderlich. Diese Reparaturen sind nach Angaben der Organisation so entscheidend, um ein Überleben des Schiffes als ein wichtiges Teilstück der Rundfunk- und Hochseefischereigeschichte um Jahre zu sichern. Denn seitdem der damalige Piratensender vor 41 Jahren an Bord in Betrieb genommen wurde, ist es nach Angaben der Organisation ein wichtiges Symbol für unabhängiges Rundfunkwesen, Widerstandsfähigkeit und Meinungsfreiheit und in den Herzen von Millionen von Hörern und Fans verankert, nicht nur in Großbritannien. Noch heute sendet der Sender, heute aber legal und über DAB oder das Internetz zu empfangen, regelmäßig von dem Schiff aus.
Mittlerweile ist Francis Rossi, Frontmann der bekannten britischen Rockband „Status Quo“ offiziell Schirmherr der gemeinnützigen Organisation „Ross Revenge Home of Radio Caroline“ geworden, die vor zwei Jahren mit dem Ziel gegründet wurde, wichtige Spendenaktionen zur Restaurierung und Erhaltung des historischen ehemaligen Piratensender-Schiffes durchzuführen. Rossi unterstützt die Wohltätigkeitsorganisation in einem entscheidenden Moment, da „Ross Revenge“ dringend ins Dock muss.
„Die „Ross Revenge“ ist mehr als nur ein Schiff, sie ist ein wichtiger Teil der britischen Musikgeschichte, der es verdient, bewahrt zu werden“, sagte Francis Rossi. „Radio Caroline hat vielen Bands wie der unseren, Gehör verschafft – und ich freue mich, diesen Gefallen nun erwidern zu können, indem ich dieses Projekt mit meiner eigenen Stimme unterstütze.“ Peter Moore, Sendermanager von Radio Caroline, sagte: „Wir freuen uns sehr, Francis Rossi als Schirmherr für diese wichtige Sache begrüßen zu dürfen. Seine Unterstützung und die Großzügigkeit der Öffentlichkeit sind unverzichtbar, um die „Ross Revenge“ und alles, wofür sie steht, zu schützen. Wir sind entschlossen, diesem legendären Schiff eine Zukunft zu sichern, und mit Francis an Bord sind wir zuversichtlich, dass unser Ziel noch mehr Menschen ansprechen wird.“
Mehrmals musste Radio Caroline im Laufe seines Bestehens den Sendebetrieb einstellen. Mal wegen staatlicher Repressionen, mal wegen schwieriger Bedingungen auf See. Das erste Sendeschiff, die „Fredericia“ wurde zwangsverlegt und später in den Niederlanden festgesetzt und ab 1972 verschrottet. Im März 1980 verlor Radio Caroline das seit vielen Jahren genutzte Sendeschiff „Mi Amigo“ in einem schweren Sturm vor der Themsemündung. Dabei riss die Ankerkette des Sendeschiffes und das Schiff trieb 10 Seemeilen auf eine Sandbank ab. Noch bis spät in die Nacht sende Radio Caroline, bis ein Rettungsboot die Besatzung von Bord holte. Kurze Zeit später sank das Schiff. Mit der „Ross Revenge“ wurde dann ein neues Schiff gekauft und für Sendezwecke in internationalen Gewässern flottgemacht. Es sollte mehr als drei Jahre dauern, bis das neue Schiff betriebsbereit war.
Dabei handelte es sich um einen ehemaligen, 71 Meter langen isländischen Seitentrawler, der zusammen mit drei weiteren Schwesterschiffen Anfang der 60er Jahre auf der AG Weser, Werk Seebeck in Bremerhaven als „Freyr“ für die isländische Regierung unter der Baunummer 868 gebaut wurde. Sie war in Reykjavík registriert und trug das Kennzeichen RE 1. Alle vier Schiffe dieser Serie wurden für die damalige Zeit mit einer äußerst hohen technischen Ausstattung versehen und galten bei der Ablieferung in technischer Hinsicht weit ihrer Zeit voraus.
Über die ersten drei Einsatzjahre gibt es nur wenigen Informationen über das Schiff. Doch erwies sich die „Freyr“ aufgrund der Schiffsgröße zum Anlegen und zum Löschen in Reykjavik als ungeeignet, so dass ein neuer Eigner gesucht wurde. Gegen Ende 1963 wurde die „Freyr“ von der britischen, in Grimsby ansässigen Ross Trawlers Ltd. Übernommen, die das Schiff in „Ross Revenge“ umbenannten. Nachdem das Schiff einen verstärkten Bug zum Eisbrechen erhielt, kam es dann auch rund um Grönland zum Einsatz. Seit dem Jahr 1976 hält das Schiff auch einen Weltrekord, denn in Grimsby wurde ein Fang von ca. 218 Tonnen isländischen Kabeljaus angelandet, der damals für einen Weltrekordpreis von 75.597 £ verkauft wurde. Ende der 70er Jahre wurde das Schiff außer Dienst gestellt und in den Aufzeichnungen des Schiffes wurde vermerkt, dass die letzte Anlandung im Jahr 1979 im Fischereihafen in Cuxhaven erfolgte.
Zwei Jahre kam die „Ross Revenge“ als Taucherunterstützungsschiff zum Einsatz und sollte eigentlich anschließend verschrottet werden, bis das Team von Radio Caroline auf das Schiff aufmerksam wurden und es für ihre Zwecke umbauen ließen. Vor sieben Jahren wurde die „Ross Revenge“ dann sogar in das National Register of Historic Vessels aufgenommen, unter anderem als das einzige verbliebene Piratenfunkschiff der Welt.
Alle Fotos: Gemeinnützige Organisation ROSS REVENGE (HOME OF RADIO CAROLINE)
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