Foto BSH
Am vergangen Dienstag wurde von Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, in Hamburg das neue Flaggschiff der Flotte des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), das Vermessungs-, Wracksuch- und Forschungsschiff (VWFS) „Atair“, offiziell in Dienst gestellt. Schon am 14. September wurde das moderne und 114 Millionen Euro teure an der Werftpier der Fassmer-Werft in Berne an der Unterweser an das BSH übergeben.
Der offizielle Akt der Indienststellung und der Übernahme der Patenschaft der 75 Meter langen und 17 Meter breiten „Atair“ mit LNG-Technologie fand aufgrund der in Hamburg geltenden strengen Regelungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und zum Schutz der Besatzung im kleinsten Kreis auf dem Kai an der Überseebrücke statt. Dabei handelt es sich das erste seegängige Behördenschiff für Spezialaufgaben mit LNG-Antrieb, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel für energieeffizientes Design und geräuscharm. Die offizielle Taufe der „Atair“ erfolgte schon am 30. September 2019 durch die Taufpatin Dr. Elke Ferlemann an der Werftpier in Berne.
Die in Hamburg beheimatete „Atair“ wird vom Basishafen in Bremerhaven aus eingesetzt. An Bord ist Platz für 18 Besatzungsmitglieder sowie 15 Wissenschaftler. Den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern stehen drei Labore, die bei Bedarf durch weitere 5 Laborcontainer ergänzt werden können, zur Verfügung. Für die Besatzungsmitglieder und Wissenschaftler stehen ausschließlich Einzelkammern mit jeweils eigener Nasszelle, modernsten Infotainment-Systemen, Sauna und ein Fitnessraum zur Verfügung.
Das Schiff ist mit einem 130 Kubikmeter fassenden LNG-Tank ausgerüstet. Mit dieser Menge kann das bis zu 13 Knoten schnelle Schiff, abhängig von der Geschwindigkeit, bis zu 10 Tage ausschließlich im LNG-Betrieb verkehren. Das Schiff verfügt über einen diesel-gaselektrischen Antrieb. Für die Stromerzeugung stehen zwei Wärtsilä Sechszylinder-Dual-Fuel-Motoren vom Typ 6L20 DF mit einer Leistung von jeweils 960 kW zur Verfügung. Dabei können die beiden Wärtsilä-Motoren sowohl mit dem emissionsarmen Flüssigerdgas (LNG) als auch mit Dieselkraftstoff betrieben werden.
Der erzeugte Strom wird für den Antrieb für den siebenblättrigen Propeller benötigt. Die Entscheidung, die „Atair“ mit LNG-Motoren als auch mit einem dieselelektrischen Antrieb auszurüsten, wurde getroffen, weil auch so die Unterwassergeräusche des Schiffes reduziert werden konnten und somit optimale Bedingungen für die wissenschaftlichen Arbeiten geboten werden. Somit erfüllt die neue „Atair“ als erstes deutsches Forschungsschiff überhaupt die DNV-GL „Silent R“ - Anforderungen. Sie definieren den sehr niedrigen maximal zulässigen Unterwasserschallpegel. Damit wird gleichzeitig die Meeresumwelt geschützt und optimale Bedingungen für wissenschaftliche Arbeiten an Bord gewährleistet. Da das Schiff über eine Vielzahl an hydroakustischen Geräten verfügt, darunter zum Beispiel ein Singlebeam-Echolot, ein Multibeam-Echolot, ein Subbottom-Profiler, ein Side-Scan-Sonar und ein USBL-Unterwasser-Ortungssystem, sind die Anforderungen an den Unterwasserschallpegel des Schiffes hoch, um akustische Störungen durch eigene Schiffsgeräusche auszuschließen.
Das Spezialschiff wird in der Untersuchung von Sedimenten und der Wassersäule von Nord- und Ostsee, in der Vermessung- und Wracksuche, aber auch in der Messung von Schadstoffen in Schiffsemissionen im Einsatz sein. Diese Aufgaben sind wichtig, um die Sicherheit und Leichtigkeit der Seeschifffahrt zu gewährleisten und die nachhaltige Nutzung der Meere kontinuierlich zu verbessern. In ihrer Begrüßung bezeichnete die Präsidentin des BSH, Dr. Karin Kammann-Klippstein, die „Atair“ als greifbares, deutlich sichtbares Zeichen und Symbol des Einsatzes für den einzigartigen Lebensraum Meer. Dr. Kammann-Klippstein freut sich, dass die Indienststellung in das erste Jahr der UN Dekade der Meeresforschung für Nachhaltige Entwicklung 2021-2030 fällt. Die Vereinten Nationen haben die Dekade ausgerufen, um auf die Bedeutung der Ozeanforschung für eine nachhaltige Entwicklung aufmerksam zu machen, um das Wissen um den Zustand der Meere zu erweitern und in der Gesellschaft sichtbar zu machen.
Der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Andreas Scheuer, stellte die „Atair“ anschließend offiziell in den Dienst der Bundesrepublik Deutschland. Scheuer hierzu: „Hochvernetzt, umweltfreundlich und extrem leise: Die „Atair“ nimmt eine Vorreiterrolle unter den deutschen Spezialschiffen ein. Wobei das Wort „Schiff“ viel zu kurz greift: Die „Atair“ ist ein Labor, eine schwimmende Forschungsinsel. Sie sucht nach Wracks, vermisst den Meeresgrund, erfasst Luftschadstoffe und Schiffsemissionen. Zugleich setzt sie Maßstäbe, was die eigene Fortbewegung betrifft: Als erstes Schiff seiner Art verfügt die „Atair“ über einen Flüssiggas-Antrieb – den umweltfreundlichsten Schiffskraftstoff, der derzeit verfügbar ist. Das macht die „Atair“ wahrlich zum Flaggschiff der BSH-Flotte.“
Die Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, Carola Veit, freute sich, für Hamburg für das Flaggschiff des BSH, die Patenschaft zu übernehmen: „Die ATAIR ist das größte Schiff des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie. Sie leistet umweltschonend eine ungeheuer wichtige Arbeit und wird als Botschafterin Hamburgs in der Welt der Meeresforschung unterwegs sein.“
Das BSH ist die zentrale maritime Behörde Deutschlands. An den beiden Dienstsitzen in Hamburg und Rostock sowie auf fünf Schiffen arbeiten rund 1.000 Beschäftigte aus über 100 Berufen. Im Mittelpunkt der Aufgaben stehen u.a. die Förderung, Sicherheit und Überwachung der Seeschifffahrt, Forschung und Erhebung langer Datenreihen im Bereich der Ozeanographie und Meereschemie, der Wasserstandsvorhersagedienst sowie die nautische Hydrographie, im Rahmen derer amtliche Seekarten erstellt werden. Ein in letzter Zeit stetig anwachsender Bereich ist die Zuständigkeit als Genehmigungs- und Überwachungsbehörde für Offshore-Windenergieanlagen. Als deutsche Flaggenstaatsverwaltung und Dienstleister unterstützt das BSH die maritime Wirtschaft mit Genehmigungen, Haftungsbescheinigungen, Produktprüfungen, Zulassungen und Bereitstellung von Daten.
Das namensgleiche Vorgängerschiff der aktuellen „Atair“ wurde schon im Februar über die VEBEG, die Verwertungsstelle des Bundes, öffentlich versteigert. Für nur 450.000 € fand die 1986 auf der Kröger-Werft in Rendsburg erbaute „Atair“ einen ausländischen Käufer, der das Schiff zukünftig im Offshore-Bereich einsetzen will. Wie ein VEBEG-Sprecher auf Anfrage mitteilte, liegt derzeit noch keine Ausfuhrgenehmigung vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) vor, so dass die 57 Meter lange „Atair“ derzeit immer noch im Braker Binnenhafen aufliegt.
Comments