Symbolträchtiges Schiff des ehemaligen Vulkan-Verbundes steht vor ungewisser Zukunft
Nach bislang noch unbestätigten Medienberichten, soll die italienische Kreuzfahrtreederei Costa Crociere des zweitälteste Schiff der Flotte, die 1996 in Bremen und Bremerhaven erbaute „Costa Victoria“ verkauft haben. Die „Costa Victoria“ war nicht nur für die damaligen Vulkan-Werften im Unterweserraum ein sehr bedeutendes Kreuzfahrtschiff, sondern auch in der Geschichte von Costa, denn mit diesem Schiff verschaffte sich das Unternehmen vor einem Vierteljahrhundert den Zugang ins moderne und internationale Kreuzfahrtgeschäft.
Zunächst hatte das französische Portal ,,Mer et Marine’’ von einem Verkauf der „Costa Victoria“ berichtet, wobei Costa schon im letzten Herbst, unabhängig von den aktuellen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Kreuzfahrtgeschäft, von einem Verkauf von insgesamt fünf Schiffen bis zum Jahr 2021 berichtet. Demnach soll das Schiff nun an die ,,San Giorgio del Porto’’ Gruppe aus Genua verkauft worden sein. San Giorgio del Porto betreibt unter anderem Reparaturwerften in Marseille und in Genua. So wurde beispielsweise im letzten Winter in der Werft in Genua die „Costa neoRiviera“ zur „AIDAmira“ umfangreich umgebaut. Bislang wurden für derartige Umbauten beispielsweise Fährschiffe als Hotelschiffe für die Unterbringung der Crew eingechartert. Somit wäre ein Umbau zum Hotelschiff für die „Costa Victoria“ möglich. Andererseits könnte die Werftengruppe, die sich bislang noch nicht zu dem möglichen Verkauf geäußert hat, nur als Zwischenhändler für einen Weiterverkauf fungieren. Oder aber die „Costa Victoria“ wird schon verschrottet, dies wäre mit einem Alter von nur 24 Jahren für ein Kreuzfahrtschiff ein Novum und wäre sehr überraschend, zumal sich das Schiff in einem guten Zustand befinden soll. Hierfür könnte sprechen, dass die Werftengruppe hiermit schon Erfahrungen vorweisen kann, gehörte doch San Giorgio del Porto mit dem italienischen Unternehmen Saipem zu dem Konsortium "Ship Recycling", die 2015 die „Costa Concordia“ verschrottet haben.
Nach Abbruch einer Kreuzfahrt im Indischen Ozean im Februar 2020 liegt die „Costa Victoria“ aktuell im italienischen Hafen von Civitavecchia auf.
Das 252 Meter lange Kreuzfahrtschiff war zum Anfang der 90er Jahre einer der Gründe für den späteren Zusammenbruch des Bremer Vulkan-Verbundes, in der Folge aber auch ein Segen für die Lloyd Werft, die das Schiff und das Schwesterschiff „Norwegian Sky“, das lange Zeit in Bremen-Nord den Spitznamen „Costa Rosta“ führte, komplettierte. Mit den beiden Kreuzfahrtneubauten wollte der Vulkan-Verbund seinerzeit Fuß in dem aufstrebenden Segment der Kreuzfahrtindustrie Fuß fassen, was in der Folge zum Zusammenbruch und dem Verlust von tausenden Arbeitsplätzen in ganz Norddeutschland führte.
Für einen Spottpreis von damals nur 600 Millionen Mark bestellte seinerzeit Costa Crociere die „Costa Victoria“ und stellte weiterhin einen zweiten Auftrag und damit viel Arbeit für den Vulkan-Verbund in Aussicht. Gleichzeitig wurde festgelegt, dass die „Costa Victoria“ nach nur 600 Tagen abgeliefert werden sollte. Weitere Mitbewerber hatten daraufhin bei diesem Auftrag für ein Schiff mit einer Kapazität für 2250 Passagiere aufgrund des niedrigen Preises und der sehr kurzen Bauzeit schon gleich abgewunken, nur der Vulkan-Verbund hatte bei diesem Projekt angebissen. Das Schiff mit einer Breite von 36,15 Metern sollte mit den Abmessungen noch gerade durch die alten Panamakanal-Schleusen passen und war somit schon auf den US-Markt ausgerichtet.
Mit der Vulkan-Stammwerft in Bremen-Nord gingen auch die weiteren Verbund-Werften Schichau-Seebeckwerft und Lloyd-Werft in Bremerhaven sowie STN Systemtechnik Nord an den Akkordbau. In Spitzenzeiten ackerten bis zu 1800 Beschäftigte unter der Leitung vom Projektingenieur Werner Lüken, der später Chef der Lloyd-Werft wird, an dem Schiff. Trotz unglaublicher Geschichten, die sich nach dem Vulkan-Konkursantrag aus dem Februar 1996 auf dem Bau abspielen, gelingt die Ablieferung der „Costa Victoria“, und das nur vier Wochen nach dem ursprünglich festgelegten Termin im Juli 1996.
Die „Costa Victoria“ mit einer Vermessung von 75.000 BRZ war bei der Ablieferung das zu der Zeit größte je in Deutschland gebaute Kreuzfahrtschiff und legte den Grundstein für ein bis dahin unbekanntes Geschäftsfeld für die Lloyd Werftn, den Schiffsneubau. In der Folge ließ die Werft an anderen Produktionsstandorten nackte Stahlrümpfe, nicht nur Kreuzfahrtschiffe, herstellen und baute sie dann im Kaiserhafen zu ende. Es war der Beginn einer neuen Ära für die Lloyd Werft, in der vor allem für die NCL Norwegian Cruise Line mit großem Erfolg drei neue Kreuzliner entstanden.
Nur noch einmal kehrt das symbolträchtige Schiff an die Unterweser zurück, denn Anfang 2004 lag das Schiff für Wartungs- und Umbauarbeiten im Trockendock der Lloyd Werft. Hier wurden an insgesamt 242 Außenkabinen auf den Decks 9 und 10 sowie für die vier Minisuiten auf Deck 11 nachträglich Balkone von bis zu neun Quadratmeter Größe eingebaut. Denn seit der Ablieferung 1996 setzte sich in der Kreuzfahrtindustrie sich der Trend zu Balkonkabinen immer mehr durch.
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