Aktuelles Meyer Werft-Projekt mit nie dagewesenen Herausforderungen steht vor der Emspassage
Schon seit Juli liegt das aktuelle Kreuzfahrtprojekt der Meyer Werft in Papenburg, die „Carnival Jubilee“ (182.000 BRZ) im Werfthafen der Meyer Werft. Nun erfolgt an diesem Montag die Emsüberführung in Richtung Nordsee, fast vier Wochen später als sonst üblich. Bis zur geplanten Übergabe am 4. Dezember in Bremerhaven an die US-amerikanische Reederei Carnival Cruise Line hat die Belegschaft aber noch alle Hände voll zu tun – vermutlich sogar viel mehr als bei bisherigen Projekten. Die Zeit drängt, denn sogleich nach der Übergabe in Bremerhaven, die vermutlich an der Stromkaje erfolgt, nimmt das Schiff Kurs auf Southampton und dann über den Atlantik nach Galveston im US-Bundesstaat Texas. Dort soll die voll ausgebuchte „Carnival Jubilee“ noch vor Weihnachten zur Jungfernfahrt in die Karibik starten.
Wie die Meyer Werft jetzt mitteilte, soll die „Carnival Jubilee“ voraussichtlich am Montagmorgen (30.10.) den Werfthafen mit Schlepperhilfe verlassen. Die Überführungsfahrt wird wieder rückwärts auf der Ems erfolgen, diese Art der Überführung hat sich aufgrund der besseren Manövrierfähigkeit bewährt. Abhängig ist die Überführung von den jeweiligen Witterungsverhältnissen, somit kann sich der Überführungszeitraum auch kurzfristig wieder geändert werden. Nach der erfolgreichen Ems-Überführung macht das Schiff dann am Dienstag zunächst im niederländischen Eemshaven fest, von hier aus erfolgen die abschließenden technischen und nautischen Erprobungen. Bei dem Projekt „Carnival Jubilee“ trafen gleich mehrere widrige Aspekte für die Werft aufeinander, die es wohl so auch noch nie in diesem Ausmaß in der 228-jährigen Geschichte bei dem Familienunternehmen gab: Corona-Pandemie, Lieferengpässe und dann noch ein bisher einmaliger Markenwechsel von AIDA Cruises zur Carnival Cruise Line inmitten der Bauphase. Denn der amerikanische Mutterkonzern Carnival Corp. hatte im Frühjahr 2021 schon den Wunsch geäußert, dass das fest bestellte Schiff nicht mehr für die deutsche Carnival-Tochter AIDA Cruises in Rostock, sondern für die amerikanische Reederei Carnival verkehren soll. Begründet wurde dies damit, da die Buchungszahlen für Kreuzfahrten auf dem nordamerikanischen Markt nach der Corona-Pandemie schneller wieder anstiegen als in Europa. Wie die Meyer Werft jetzt in der aktuellen Ausgabe des Mitarbeitermagazins „Kiek ut“ sehr offen berichtet, ist die Ablieferung der „Carnival Jubilee“ die wichtigste seines Lebens, so Seniorchef Bernhard Meyer (75), wie zunächst die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) daraus berichtetet. „Seit über 50 Jahren bin ich im Unternehmen tätig und noch nie – und dass meine ich wirklich ernst – noch nie war die pünktliche Ablieferung eines Schiffes so wichtig“, betont Meyer in dem Magazin. Die „Carnival Jubilee“ sei der Schlüssel, um das Vertrauen der Kunden in die Werft zurückzugewinnen und Folgeaufträge zu bekommen. Zugleich sei die Ablieferung „entscheidend für die finanzielle Situation unserer Unternehmensgruppe“. Ob an Bord, in der Fertigung, im Büro oder im Homeoffice: Meyer appelliert in dem Bericht „eindringlich an jeden einzelnen“, die „letzten Reserven“ zu mobilisieren, noch einmal alles zu geben und bestmöglich zu unterstützen. In dem Artikel ist von „nie dagewesenen Herausforderungen“ die Rede und der Werftchef Meyer appelliert an die Mitarbeiter: „Helfen Sie jetzt mit, das Ruder herumzureißen!“. Schon im Dezember 2022 wurde mitgeteilt, dass die „Carnival Jubilee“ nicht zum ursprünglich geplanten Termin im Oktober dieses Jahres fertig wird, so dass die Reederei die ersten sechs geplanten Kreuzfahrten schon absagen musste. In dem Mitarbeitermagazin prophezeite Projektleiter Jürgen Storz, dass es bis zur Ablieferung Bereiche geben werde, „in denen es richtig eng wird und wo wir jede Stunde brauchen“. Andererseits zeigt er sich aber auch zuversichtlich, dass die rechtzeitige Fertigstellung dank des großen Einsatzes der Belegschaft gelingen werde. Allein der Wunsch des Kunden, das Schiff im laufenden Bauprozess für eine andere Marke umzurüsten, hat den Schiffbauern so viel Flexibilität abverlangt wie bisher noch nie. Somit musste im laufenden Bauprozess das gesamte Innendesign auf der Werft umgestaltet werden, ein auch für die Meyer Werft bislang einmaliger Vorgang. Ein deutlicher baulicher Unterschied zwischen den beiden Schiffstypen ist zum Beispiel, dass es auf der „Carnival Jubilee“ nun im vorderen Bereich ein Theater mit rund 900 Sitzplätzen gibt, ein Bereich der bei den Schwesterschiffen von AIDA Cruises als Fernsehstudio aber auch als SpaBereich genutzt wird. Werftsprecher Peter Hackmann erklärte kürzlich, dass der Wechsel vom AIDA-Design zur Carnival Cruise Line von Beginn an eine Herausforderung war, dementsprechend ist das Projekt eine große Aufgabe für die Werft. Durch die Änderungen musste es viele Planungsanpassungen geben, wobei das Werftteam, die Partnerfirmen, die Klassifikationsgesellschaft aber auch die Reederei alles geben, um das Schiff bis Dezember fertigzustellen Projektleiter Storz sieht es als ein starkes Signal, dass Carnival der Werft den kurzfristigen Wechsel zugetraut habe, wobei dieser Wechsel vielfältige Auswirkungen nach sich gezogen hat. So musste zum Beispiel der Einkauf bereits bestehende Verträge für das geplante AIDA-Schiff stornieren oder so anpassen, dass die Werkstoffe auch für ein Carnival-Schiff genutzt werden können. Zudem hätten der russische Angriffskrieg auf die Ukraine aber auch die Auswirkungen der Coronapandemie die Verfügbarkeit von Baumaterialien sehr stark eingeschränkt. Storz lobte abschließend aber auch die Bereitschaft der Mitarbeiter, dass sobald Material verfügbar war, dann auch Extraschichten einzulegen. Doch auch ohne die ganzen baulichen Unwägbarkeiten ist die „Carnival Jubilee“ mit der Baunummer S 717 schon jetzt ein ganz besonderes Schiff, immerhin schon das 56. Kreuzfahrtschiff von der Papenburger Werft. Denn es ist nicht nur das erste Schiff, dass in Papenburg für die derzeit größte Kreuzfahrtmarke der Welt mit einer Flotte mit 25 Schiffen baut. Zudem handelt es sich um das letzte Schiff aus der so genannten Helios-Schiffsklasse bei der Meyer Gruppe. Insgesamt neun Schiffe dieser Klasse mit umweltfreundlichen LNG-Antrieb hatte der Mutterkonzern, die Carnival Corp. vor acht Jahren bestellt. Das erste Schiff war die „AIDAnova“, die im Jahr 2018 abgeliefert wurde. Vier Schiffe dieser Klasse wurden in Finnland bei Meyer Turku erbaut, bislang vier bei der Meyer Werft in Papenburg (AIDAnova, „AIDAcosma“, „Iona“ und „Arvia“). Bei Meyer Turku entstanden die „Costa Smeralda“, „Costa Toscana“ sowie die „Mardi Gras“ und die „Carnival Celebration“ für die Carnival Cruise Line.
Auf der „Carnival Jubilee“ steht den maximal 6.600 Gästen eine Auswahl von über 20 verschiedenen Kabinenkategorien aber auch abwechslungsreiche Restaurants zur Verfügung. Auf dem Oberdeck befindet sich eines der Unterhaltungshighlights des Schiffes, die Bolt-Achterbahn. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 60 km/h sorgt die von der Münchener Firma Maurer Ride erbaute Bahn für Nervenkitzel bei großen und kleinen Gästen, 57 Meter hoch über dem Meeresspiegel, wobei für die Nutzung ein kleiner Aufpreis zu bezahlen ist. Mit einer Beschleunigung von über 1 G rasen die zweisitzigen Fahrzeuge, angetrieben von Elektromotoren, auf einer Länge von 220 Meter über das Oberdeck und einmal um den typischen Whale Tail-Schornstein von Carnival herum.
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